Jesus hängt am Kreuz. Er ist verletzt, erniedrigt, gequält. Und was sagt er?
„Vater, vergib ihnen. Denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Einer der bekanntesten Sätze Jesu. Und vielleicht einer der am schwersten auszuhaltenden. Denn wir kennen solche Situationen: Jemand verletzt uns. Sagt oder tut etwas, das nachhallt, das sich festsetzt. Und in uns wächst der Gedanke: Der weiß genau, was er da macht.
Aber Jesus sieht das anders. Er spricht nicht von Reue. Nicht von Einsicht. Sondern von Vergebung – und zwar vor der Einsicht. Vor dem Bedauern. Mitten im Chaos.
Und er spricht sie aus, obwohl um ihn herum Menschen stehen, die genau das Gegenteil verdienen. Da sind die Soldaten, die ihn brutal behandelt haben. Die Leute, die ihn ausgelacht und angespuckt haben. Die religiösen Führer, die meinten, mit seinem Tod ein Problem gelöst zu haben. Und das Volk, das einfach zugeschaut hat. Und er sagt: Sie wissen nicht, was sie tun.
Das klingt nach einer Ausrede. Oder nach einer billigen Entschuldigung.
Aber es ist keine.
Jesus spricht hier nicht von Unschuld. Er nennt die Dinge beim Namen. Gewalt. Machtmissbrauch. Schweigen. Mitläufertum. Schuld, die sich verteilt auf viele Schultern – und sich doch bei niemandem richtig greifen lässt.
Und genau da setzt er an. Weil er weiß, wie Schuld funktioniert. Wie Menschen verstrickt sind in Systeme, in Denkweisen, in Erwartungen. Wie schnell aus einem „Ich kann da nichts machen“ ein „Ich hab einfach mitgemacht“ wird.
Jesus vergibt – nicht, weil alles okay ist. Sondern gerade weil es das nicht ist.
Weil diese Welt Vergebung braucht, um überhaupt wieder heil zu werden.
Und das ist kein leichter Ausweg. Kein spirituelles Pflaster. Sondern eine Zumutung. Eine Einladung, genau hinzusehen. Bei uns selbst. Bei dem, was wir sagen, was wir denken, was wir unterlassen. Und bei anderen. Nicht, um die Schuld kleinzureden. Sondern um zu erkennen: Da ist einer, der die Schuld nicht wegwischt – sondern sie trägt. Und der trotzdem sagt: Vater, vergib ihnen.
Diese Worte sind kein Freispruch. Sie sind ein Startpunkt. Für Verantwortung. Für Veränderung. Für einen neuen Blick auf uns selbst und die Welt um uns herum.
Und vielleicht auch eine Einladung, heute selbst zu vergeben. Nicht aus Pflicht. Sondern weil Vergebung etwas in Bewegung bringt.
Weil sie uns verändert. Und weil sie manchmal der erste Schritt zurück ins Leben ist.